Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat bei vier Veranstaltungen auf Einladung des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) vor kommunalen Verwaltungen und Bürgermeistern den Stand der Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle referiert. Die Kommunen sind als erste Ansprechpartner vor Ort ganz besonders auf Informationen aus erster Hand angewiesen. Das zeigten die Termine in Leipzig, Hamburg, Frankfurt am Main und Ulm.
Die kommunalen Spitzenverbände haben das BfE bei den Regionalveranstaltungen unterstützt und auch die Einladungen an die Kommunen versendet. Dr. Torsten Mertins vom Deutschen Landkreistag sagte bei der ersten der Konferenz in Leipzig über die Zusammenarbeit mit dem BfE: "Es gibt den Willen, es besser zu machen als in der Vergangenheit." Darin waren sich viele der über die vier Veranstaltungen hinweg etwa 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch ziemlich einig. Sie lobten, frühzeitig angesprochen worden zu sein, wünschen sich aber auch einen Informationsvorsprung, wenn die BGE Mitte 2020 den Zwischenbericht Teilgebiete veröffentlicht.
Der Präsident des BfE, Wolfram König, wies darauf hin, wie wichtig die frühzeitige Information der Kommunen sei. Die Herausforderung dabei bestehe im "Beteiligungsparadox", dass nämlich zu der Zeit, in der noch Einfluss auf das Verfahren genommen werden könne, nur wenig Interesse bestehe, weil es noch keine regionale Betroffenheit gebe. Erst wenn die möglichen Teilgebiete feststünden, gehe das Interesse auf einen Schlag nach oben. Die Abteilungsleiterin Standortauswahl und Bürgerbeteiligung des BfE, Christine Weiss, informierte die Kommunalvertreter über ihre Möglichkeiten, sich in das Auswahlverfahren einzubringen. Wenn die sogenannten Standortregionen benannt sein werden, wird das BfE Regionalkonferenzen einberufen. Standortregionen sind die Regionen, die seitens der BGE als besonders geeignet angesehen werden, diese näher zu untersuchen. Auf den Regionalkonferenzen werden die kommunalen Interessenvertreter dann eine bedeutsame Rolle spielen, und auch die Vertreter von Gemeinden, in denen es aktuell schon Zwischenlager gibt. Sie werden im Rat der Regionen, der aus diesen Regionalkonferenzen gebildet wird, eine eigene Rolle spielen können. Dass sie tatsächlich Einfluss auf das Verfahren nehmen können, war den meisten Kommunalvertretern jedenfalls wichtig.
Bei allen vier Veranstaltungen spielte die Diskussion darüber, was genau gesucht wird, warum es nicht ein gemeinsames Endlager in Europa geben soll, und ob es nicht auch noch andere, womöglich bessere Methoden geben könnte, mit dem Atommüll umzugehen, eine wichtige Rolle. Steffen Kanitz, stellvertretender Vorsitzender der BGE-Geschäftsführung und dort für die Standortauswahl zuständig, wies mehrfach darauf hin, dass bei einer europäischen Lösung Deutschland als Standort "gute Chancen hätte, denn im Gegensatz zu den anderen europäischen Staaten gibt es hier alle drei möglichen Wirtsgesteine für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle". Gemeint sind Salz, Ton und Kristallin wie beispielsweise Granit. Außerdem sollte für Stoffe, die "über einen so langen Zeitraum Schaden für die Gesundheit von Menschen oder die Umwelt anrichten können, jedes Land auch selbst die Verantwortung übernehmen", sagte er.
BfE-Präsident Wolfram König verwies bei der Veranstaltung in Ulm auf die Diskussionen in der Endlagerkommission, die sich mit möglichen technischen Alternativen intensiv befasst hatte. Die Kommission hat diese Optionen, die Halbwertszeit, also die Zeit, in der die radioaktiven Stoffe zerfallen, zu vermindern, um weniger gefährliche Stoffe zu erhalten, jedoch vorläufig alle verworfen. Dennoch empfahl die Kommission, an entsprechenden Technologien weiter zu forschen. Steffen Kanitz ergänzte, dass im Standortauswahlgesetz (StandAG) ausdrücklich gefordert werde, dass im Verlauf des Verfahrens auch dazu gelernt werden soll. Das kann unter Umständen bedeuten, dass es Rücksprünge im Verfahren geben muss, wenn es beispielsweise rasante technische Fortschritte geben sollte, die die tiefengeologische Lagerung als bestmöglichen Umgang mit dem Atommüll ablösen könnten.
Für die Kommunalvertreter war es besonders wichtig, einfache Zugänge zu den vielfältigen Informationen zu finden. Für die meisten war es schwer verständlich, warum die planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien in der ersten Phase der Standortauswahl noch keine Rolle spielen. Doch wenn das Ziel der Standortsuche das Finden des "bestmöglichen Standorts mit einer Sicherheit über eine Million Jahre" sein soll, dann kann die Frage der Siedlungsdichte oder nach vorhandenen Kulturdenkmälern nicht an erster Stelle stehen, betonte Steffen Kanitz. Die Geologie solle der Garant für die Sicherheit sein, deshalb kommen planungswissenschaftliche Abwägungen erst dann zum Zug, wenn der erste Schritt der Bürgerbeteiligung, die Teilgebietekonferenz, abgeschlossen ist, und die Ergebnisse dieser Konferenz in den Bericht eingehen werden.
Viele Kommunalvertreter sehen die im Gesetz vorgegebenen Zeitpläne – bis 2031 soll ein Standort gefunden sein, bis 2050 soll das Endlager zur Verfügung stehen – kritisch. Denn ihre Erfahrung aus der Vergangenheit sei, auch mit Blick auf das Endlager Konrad in Salzgitter, in dem schwach- und mittelradioaktive Abfälle eingelagert werden sollen, dass "alle Zeitpläne immer gerissen worden sind". Das Vertrauen in die Umsetzbarkeit dieser Vorgaben ist auf kommunaler Ebene eher gering. Und noch etwas wird kritisch gesehen: Wenn es darum geht, eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, befürchten Bürgermeister in strukturschwachen Regionen und insbesondere in Ostdeutschland, eher "in Haftung genommen zu werden" als diejenigen aus wachsenden westdeutschen Metropolenregionen. Das StandAG ist auf diesem Auge aber blind. Alle Regionen werden vor dem Gesetz gleich behandelt. Darauf hat auch der Vorsitzende der BGE-Geschäftsführung, Stefan Studt, in Hamburg hingewiesen. Er bot den Kommunalvertretern an, vor Ort über den Stand der Suche zu berichten, wenn es gewünscht werde. Ein Angebot, von dem vor allem die Bürgermeister schon bald Gebrauch machen wollen, die sich schon vor der Veröffentlichung offizieller Karten im Focus der Standortdebatte sehen.
Die Vorträge der BGE-Geschäftsführer Stefan Studt und Steffen Kanitz, sowie des Bereichsleiters Standortauswahl, Dr. Jörg Tietze, unterscheiden sich inhaltlich nicht, jedoch sind sie von Veranstaltung zu Veranstaltung immer wieder leicht angepasst worden.