Mit der 54. Änderung der Dauerbetriebsgenehmigung für das Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben wurde die vierte Einzelmaßnahme zum Rückbau des übertägigen Kontrollbereichs genehmigt: Die Außerbetriebnahme und der Rückbau der speziellen Kanalisation.
Die spezielle Kanalisation im Endlager Morsleben
Die spezielle Kanalisation ist seit 1978 in Betrieb. Mit ihr werden Wässer, die in der Containerhalle des übertägigen Kontrollbereichs anfallen, aufgefangen und in Sammelbecken abgeleitet. Dort werden sie untersucht und gesondert entsorgt.
Bis 1998 haben Mitarbeiter*innen die angelieferten schwach- und mittelradioaktiven Abfälle in der Containerhalle umgeladen. Von dort kamen sie auf Rollpaletten oder Anhängern nach unter Tage auf die vierte Ebene (Sohle). Beim Umladen bestand die Gefahr, dass radioaktive Verschmutzungen an die Umwelt gelangen könnten. Auch Niederschläge wie Regen oder Schnee konnten mit den Transportfahrzeugen oder über die offene Südseite in die Containerhalle gelangen und durch den Kontakt mit den angelieferten Fässern kontaminiert werden. In der speziellen Kanalisation wurden diese Wässer aufgefangen und bis 1992 in ein Sammelbecken außerhalb der Containerhalle geleitet. Strahlenschützer*innen nahmen dann dosimetrische Messungen vor, um zu überprüfen, ob diese Wässer radioaktiv verunreinigt, also kontaminiert, waren. Im Fall einer Kontamination wurden die Wässer zunächst mit einer Filteranlage gereinigt. Konnte die Kontamination nicht entfernt werden, wurden die Wässer als flüssige radioaktive Abfälle zu einem Tanklager auf die 4. Ebene (Sohle) nach unter Tage verbracht, konditioniert und endgelagert. Der überwiegende Teil der Wässer konnte freigegeben und direkt in den Salzbach abgeleitet werden.
Aufgrund von Verschleißerscheinungen an der Kanalisationsanlage wurde 1984 ein Antrag auf „Umverlegung der speziellen Kanalisation“ gestellt. Eine neue spezielle Kanalisation wurde 1992 in Betrieb genommen. Zu dieser neuen speziellen Kanalisation gehören neben neuen Rohrleitungen auch zwei Sammeltanks. Diese waren bereits bei der Anlieferung aufgrund einer Vornutzung auf der Innenseite radioaktiv kontaminiert. Infolge dieser Kontamination können die in der speziellen Kanalisation gefassten Wässer seit 1992 nicht mehr freigegeben und in den Salzbach geleitet werden. Sie werden stattdessen auf die 4. Ebene (Sohle) verbracht, fachgerecht verpackt (konditioniert) und als betriebliche Eigenabfälle endgelagert.
Anlass und Zweck des Rückbaus
Bereits seit 1998 nimmt das Endlager Morsleben keine radioaktiven Abfälle mehr an. Seit April 2002 ist dazu eine Änderung im § 57a des Atomgesetzes (externer Link) rechtskräftig: Die Teile der Dauerbetriebsgenehmigung, die die Annahme von weiteren radioaktiven Abfällen oder deren Endlagerung regeln, sind unwirksam. Damit werden auch die spezielle Kanalisation in der Containerhalle und der übertägige Kontrollbereich des Endlagers Morsleben nicht mehr benötigt. Ist die spezielle Kanalisation in der Containerhalle abgebaut, kann im nächsten Schritt die Aufhebung des Kontrollbereichs in der Containerhalle eingeleitet werden.
Zukünftig erleichtert die Aufhebung des übertägigen Kontrollbereichs einen großen Teil der betrieblichen Arbeiten über und unter Tage. So zum Beispiel den ebenerdigen Zugang zum Förderkorb – also über die Ackersohle – um Materialien, Geräte und Fahrzeuge nach unter Tage zu bringen. Bisher durchlaufen solche Transporte aufwendige Schleusungsverfahren durch den Kontrollbereich.
Herausforderungen beim Rückbau in Morsleben
Die spezielle Kanalisation gehört laut Dauerbetriebsgenehmigung des Endlagers Morsleben zu den Anlagen mit Einfluss auf Atomsicherheit und Strahlenschutz. Der Rückbau der Kanalisation ist daher gemäß § 9b Abs. 1 Satz 1 des AtG eine wesentliche Änderung der Dauerbetriebsgenehmigung. Sie muss vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt (MULE) als zuständiger Behörde genehmigt werden. Zusätzlich muss der Bereich aus der atomrechtlichen Bindung entlassen werden. Daher hat das MULE in diesem Verfahren weitere Stellungnahmen eingeholt: Vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) als atomrechtliche Aufsicht und vom Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt (LAGB) als Bergaufsicht.
Wie genau der Rückbau der speziellen Kanalisation durchgeführt wird, muss laut einer Nebenbestimmung zur 54. Änderung der Dauerbetriebsgenehmigung noch mit dem BASE abgestimmt werden. Erst danach kann mit dem Abbau sämtlicher Komponenten sowohl der alten als auch der neuen speziellen Kanalisation begonnen werden. Strahlenschützer*innen führen dann nach Teil 2 Kapitel 3 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) (externer Link) für alle Anlagenteile ein Freigabeverfahren durch, um den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlung zu gewährleisten. Stellen sie eine Kontamination oberhalb der Freigabewerte fest, veranlassen sie die Endlagerung der Anlagenteile als radioaktive Eigenabfälle des Endlagers Morsleben. Das Ziel ist es, die einzelnen Komponenten nach den Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu entsorgen.
Wenn der Rückbau vollendet ist, können die in der Halle anfallenden Wässer über die öffentliche Kanalisation entsorgt werden.
Von der Offenhaltung zur Stilllegung
Mit der Genehmigung der vierten Einzelmaßnahme zum Rückbau des übertägigen Kontrollbereichs hat die BGE eine weitere Etappe zur Aufhebung des gesamten übertägigen Kontrollbereichs erreicht: Bisher genehmigte das MULE den Rückbau des übertägigen aktiven Labors, den Rückbau der Bindemittelumschlaganlage (BUMA) im übertägigen Kontrollbereich und die Umrüstung eines Übergangs in den Kontrollbereich.
Diese Einzelmaßnahmen beschleunigen die Vorbereitung auf die Stilllegung des Endlagers Morsleben. Mitarbeiter*innen der BGE überarbeiten gleichzeitig die Antragsunterlagen für das laufende Genehmigungsverfahren zur Stilllegung. Die überarbeitenden Unterlagen werden voraussichtlich Ende 2026 bei der zuständigen Genehmigungsbehörde, dem MULE, eingereicht. Die BGE rechnet mit einer Entscheidung des MULE bis Ende 2028.