Vier Referenten, zwei Ministerien, 40 Gäste aus Kommunalpolitik und Bürgerschaft, Wissenschaft und Fachleute der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) haben sich Ende April ein Bild von den Risiken verschafft, die durch die Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Asse entstehen. Es ging darum, wie diese Risiken vermieden, in der Wirkung begrenzt und erfolgreich gemanagt werden können. Im öffentlichen Fachworkshop hatten die Teilnehmer*innen am 28. April 2023 die Möglichkeit, sich in der Eulenspiegelhalle in Schöppenstedt in vier Themen-Workshops im persönlichen Gespräch auszutauschen.
Sie erhielten dabei Unterstützung von zahlreichen Fachleuten. Diese kamen aus dem Bundesumweltministerium, dem Ministerium für Umwelt Niedersachsen, dem Bundesamt für Strahlenschutz, der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem Bundesamt für die Sicherheit der Nuklearen Entsorgung (BASE), der Beratungs- und Planungsfirma Ercosplan sowie aus Forschung und Lehre.
Bei der Rückholung der radioaktiven Abfälle sind Risiken zu betrachten
Zu Beginn der Veranstaltung informierte der technische Geschäftsführer der BGE, Dr. Thomas Lautsch, über den aktuellen Stand der Notfallplanung, die aktuellen Probleme an der Hauptauffangstelle für Salzlösung in 658 Metern Tiefe und die Probleme mit der Standfestigkeit des alten Bergwerks. Dabei ging er auch auf die Fortschritte ein, die die BGE insbesondere bei den für die Rückholung notwendigen Vorarbeiten zur Bewältigung Asse-spezifischer Risiken gemacht hat. Dazu gehören der Bau von Strömungsbarrieren und das Verfüllen von Resthohlräumen. Zudem berichtete er über aktuelle Planungs- und Erkundungsprozesse in Vorbereitung der Rückholung. Thomas Lautsch sagte: „Mit dem Öffnen der Einlagerungskammern gehen wir zusätzliche radiologische Risiken ein. Insbesondere, wenn wir teilweise mit offenen radioaktiven Abfällen umgehen müssen.“
Die Vortragsfolien von Dr. Thomas Lautsch können Sie hier herunterladen (PDF, 1,4 MB)
Peter Hart (Abteilung S, Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz im Bundesumweltministerium) erinnerte zu Beginn der Veranstaltung daran, warum die Abfälle aus der Asse zurückgeholt werden sollen: „Mit Blick auf die Langzeitsicherheit ist das die Variante, die am ehesten zu verantworten ist.“ Auch Andreas Sikorski (Gesamtkoordinator Projekt Asse II im Niedersächsischen Umweltministerium) beleuchtete zum Einstieg die Historie und die rechtlichen Hintergründe der Rückholung und betonte, dass sich die Landesregierung dafür einsetze, dass das havarierte Bergwerk schnellstmöglich stabilisiert und die atomaren Abfälle zurückgeholt werden. Hart und Sikorski hoben die jahrelange kritische und engagierte Begleitung des Vorhabens durch die Bevölkerung hervor. Zudem appellierten beide an die regionalen Interessenvertreter*innen, offen über ein neues Beteiligungskonzept zu diskutieren. Dieses komplexe Projekt könne nur im kritischen Miteinander aller Beteiligten gelingen. Die Neustrukturierung des Begleitprozesses sei eine notwendige Voraussetzung für das Gelingen der Rückholung und die Akzeptanz in der Region, betonte Sikorski.
Bei der Rückholung gibt es radiologische und nicht-radiologische Risiken
Dr. Grit Gärtner und Dr. Florian Voigts (beide BGE) legten mit einem Überblicksvortrag die Basis für die folgende Diskussion in den Workshops. Sie führten in Begrifflichkeiten und Hintergründen der Themengruppen ein. Unter anderem stellten sie die einzelnen Prozessschritte der Rückholung vor und skizzierten mögliche Szenarien von Freisetzungen radioaktiver Stoffe in Folge eines technisch nicht mehr beherrschbaren Lösungszutritts – in der Asse-Sprache der auslegungsüberschreitende Lösungszutritt (AüL).
Die Vortragsfolien von Dr. Gärtner und Dr. Voigts können Sie hier herunterladen (PDF, 765 KB).
Prof. Dr. Horst Geckeis vom KIT führte mit einem kurzen Impulsvortrag in den Workshop zum Thema Transportprozesse ein. Das sind keine Radionuklide im Auto, wie der Veranstaltungszeichner Julian Kücklich das Thema verbildlichte. Es ging um mögliche Ausbreitungswege, Transportmittel unter der Erde wie Wasser oder Gase, an die sich Radionuklide andocken könnten sowie die Dauer bis zu einer solchen möglichen Freisetzung.
Die Vortragsfolien zum Impulsvortrag von Horst Geckeis können Sie hier herunterladen (PDF, 500 KB).
Als Leiter der BGE-Abteilung für Endlagersicherheit vertrat Dr. Volker Kunze den kurzfristig ausgefallenen Experten aus dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im zweiten Workshop zur Verfügung. Hier wurde die Thematik der Betriebssicherheit dargestellt und diskutiert. Diese befasst sich mit möglichen Störfällen insbesondere während des Rückholprozesses.
Die Vortragsfolien zum Impulsvortrag von Dr. Volker Kunze können Sie hier herunterladen (PDF, 274 KB).
Dr. Jens Wolf von der GRS führte durch den Workshop zur Konsequenzenanalyse. Im Gegensatz zu einer Langzeitsicherheitsbetrachtung befassen sich Konsequenzenanalysen nicht mit vielen wahrscheinlichen und unwahrscheinlichen Szenarien, die in der Zukunft zu erwarten sind. In der Konsequenzenanalyse werden Entwicklungen abgeschätzt. Hier geht es einzig und allein um die radiologischen Konsequenzen des Asse-spezifischen Notfalls eines auslegungsüberschreitenden Lösungszutritts. Um dafür ein Maß zu haben, gehen die BGE-Fachleute als Referenzszenario davon aus, dass alle Notfallmaßnahmen umgesetzt werden, bevor die Schachtanlage Asse II absäuft. An diesem Referenzfall werden Betriebszustände vor dem Erreichen dieses Zustands oder danach „gemessen“.
Die Vortragsfolien zum Impulsvortrag von Dr. Jens Wolf können Sie hier herunterladen (PDF, 264 KB).
Im vierten Workshop sprachen die Teilnehmer*innen über nicht-radiologische Risiken. Hier führte Henry Rauche (Ercosplan) durch Themen wie den Lösungszutritt im Bestandsbergwerk, die Gebirgsmechanik im Bereich der Schachtanlage Asse II sowie deren mögliche Auswirkungen auf die Rückholung.
Die Vortragsfolien zum Impulsvortrag von Henry Rauche können Sie hier herunterladen (PDF, 1.2 MB).
Etwas mehr als eine Stunde tauschten sich die Teilnehmer*innen parallel aus. Die Inhalte und Ergebnisse wurden dabei über ein digitales Whiteboard dokumentiert. Das Feedback zeigte: Das Interesse, mehr zu verstehen, eine Einschätzung über Risiken, ihre Relevanz und ihre Vergleichbarkeit zu bekommen, war groß. Die Gespräche innerhalb der Workshops waren teils emotional, verliefen aber immer konstruktiv.
Den Abzug des digitalen Whiteboards können Sie hier herunterladen (PDF, 14.3 MB).
Abwägung zwischen Fach- und Alltagssprache als Grundlage für den Dialog
Bei der Ergebnispräsentation zum Schluss der Veranstaltung zeigte sich, dass alle Gruppen sich zuerst ein gemeinsames Verständnis von Begriffen und Vorstellung erarbeiten mussten. Dieses kommunikative Element in der Abwägung zwischen Fachsprache und allgemeinverständlichen Begriffen, kommt nach Einschätzung mancher Teilnehmer*innen oft zu kurz. Das sei für einen Dialog aber enorm wichtig. Das prägende Thema in allen vier Workshops war der technisch nicht mehr beherrschbare Lösungszutritt. Dieser könne zum Abbruch der Rückholung führen und benötige daher besondere Aufmerksamkeit. Die besondere Herausforderung bestehe darin, dass der nicht mehr beherrschbare Lösungszutritt Jahre im Voraus prognostisch erkannt werden muss - weit bevor das Bergwerk nicht mehr nutzbar ist.
Weitere diskutierte Punkte waren die Bergetechnik und die Geomechanik im Bereich der Schachtanlage. Mögliche äußere Beeinflussungen im Bereich des geplanten Zwischenlagers sowie der Wunsch nach einer offenen und transparenten Veröffentlichung aktueller Arbeitsprozesse wurden ebenfalls diskutiert. Dabei ging es vor allem um die Konsequenzenanalysen, die sich naturgemäß ständig verändern. Es gab aber auch ein großes Bedürfnis nach einer klaren Definition der Begriffe, um die Unterlagen der BGE besser verstehen zu können.
Dialog zur Asse geht weiter
Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und wird auf YouTube veröffentlicht. Derzeit befindet sich die Aufzeichnung in der Nachbearbeitung. Den Link veröffentlichen wir zu einem späteren Zeitpunkt an dieser Stelle.
Bürger*innen, die der BGE auch im Nachgang weitere Anregungen mitgeben möchten, können dies über die E-Mail-Adresse dialog(at)bge.de gerne tun.