Der Berg ist in Bewegung – und das bewegt wiederum die Bevölkerung, die in den Gemeinden rund um die Asse lebt. Rund 30 Teilnehmer*innen sind zum Wissensort Wolfenbüttel gekommen, mehr als 70 weitere Interessierte verfolgten die BGE-Infoveranstaltung „Betrifft: Asse“ am 10. Dezember 2024 online. Jens Köhler, Projektleiter Asse, stellte an den Anfang seiner Ausführungen, dass die BGE die Menge des Salzwasserzutritts weiterhin beherrsche. Im Folgenden erklärte er die aktuelle Lage in der Asse und legte detailliert dar, wie die BGE auf den Salzwasserzutritt reagiert.
Was ist in diesem Jahr geschehen?
Wassereintritte gibt es in der Asse schon seit Jahrzehnten. Doch in diesem Jahr hat sich das Geschehen grundlegend verändert. Das Wasser wird nun vor allem in 725 Metern Tiefe in einem Tunnel, der sogenannten Gleitbogenausbaustrecke, aufgefangen. An der bisherigen Hauptauffangstelle auf 658 Metern wird hingegen nichts mehr gefasst. Ursache dafür ist der anhaltende Gebirgsdruck. Dieser verformt das Bergwerk, weshalb sich die Fließwege des Wassers verändern. Die BGE berichtet auf einer Sonderseite ihrer Homepage fortlaufend über die aktuelle Entwicklung des Salzwasserzutritts
Überraschungsfund in 700 Metern Tiefe
Um herauszufinden, welchen Weg das Wasser nimmt, wird unter anderem ein bereits verfüllter Tunnel, Bergleute sagen Strecke dazu, in 700 Metern Tiefe wieder geöffnet. Gleich zu Beginn dieser Arbeiten kam es zu einer Überraschung: Dort fanden Bergleute kleine Mengen von radiologisch gering belastetem Wasser. Wie es zu einer Kontamination an dieser Stelle – oberhalb der Haupteinlagerungsebene mit den radioaktiven Abfällen – kommt, kann die BGE derzeit nicht sicher beantworten. Sie vermutet, dass in diesem Bereich bei früheren bergbaulichen Arbeiten kontaminiertes Salzwasser verwendet wurde, um etwa Stäube zu binden. Im weiteren Verlauf der Arbeiten wurde kein weiteres belastetes Salzwasser gefunden.
BGE ergreift verschiedene Maßnahmen, damit der Zutritt beherrschbar bleibt
„Wir setzen alles daran, mit verschiedenen Maßnahmen das Wasser von den radioaktiven Abfällen auf der 750-Meter-Ebene fernzuhalten“, stellte Jens Köhler klar. Er präsentierte daraufhin verschiedene Maßnahmen der BGE. Durch diese sollen die derzeitigen Fließwege besser verstanden und das Salzwasser aufgefangen werden, bevor es die Einlagerungsebene auf der 750-Meter-Ebene erreicht. Er verwies dabei auch auf die Notfallplanung der BGE, die sich in Vorsorge- und Notfallmaßnahmen unterteilt. Bereits seit Jahren werden Vorsorgemaßnahmen wie das Errichten von Strömungsbarrieren und das Verfüllen von Restholräumen zur Stabilisierung des Bergwerks umgesetzt. Sollte es dennoch zu einem nicht mehr beherrschbaren Lösungszutritt kommen, wird auf die Notfallmaßnahmen umgeschwenkt. Dazu zählen unter anderem die Verfüllung von Einlagerungskammern mit Spezialbeton, das Fluten restlicher Hohlräume sowie ein kompletter Schachtverschluss.
Die BGE arbeitet weiter an der Rückholung der Abfälle
Wie die BGE trotz der aktuellen Herausforderungen an der Planung der Rückholung der radioaktiven Abfälle weiterarbeitet, erläuterte Jens Köhler im weiteren Teil seiner Präsentation. So läuft seit September 2024 eine Raumverträglichkeitsprüfung. Ziel des Verfahrens ist der Erhalt einer sogenannten Landesplanerischen Feststellung. Aus dieser soll hervorgehen, dass die mit der Rückholung verbundenen übertägigen Baumaßnahmen und alle damit verbundenen Arbeiten raumverträglich sind – sich also nicht nachteilig etwa auf Menschen, Natur und Artenvielfalt auswirken. Darüber hinaus erprobt die BGE derzeit Werkzeuge wie spezielle Fräsen, die die eingelagerten Fässer freilegen, ohne sie stark zu beschädigen. Auch finden Tests mit verschiedenen Greifern statt, mit denen die Fässer aus den Kammern geborgen werden könnten.
Infrastruktur für die Rückholung
Einen Überblick darüber, wie komplex die Planungen für die Rückholung insgesamt sind, gab im Anschluss Iris Graffunder, Vorsitzende der Geschäftsführung der BGE. „Die Asse ist ein besonderes Bergwerk, weil sie nur über einen Hauptschacht verfügt“, erklärte die Strahlenschutzingenieurin. Die BGE hat festgestellt, dass dieser Schacht nicht geeignet ist, um die radioaktiven Abfälle zu bergen. Deshalb ist es nötig, einen zweiten Schacht zu errichten. Außerdem soll auch die Infrastruktur insgesamt verbessert werden, zum Beispiel die Frischluftversorgung des Bergwerks. Zusätzlich soll ein mit dem Bestandsbergwerk verbundenes Rückholbergwerk entstehen, in dem Maschinen und Werkstätten für die Rückholung untergebracht werden. Zudem muss ein Zwischenlager mit Abfallbehandlungsanlage gebaut werden, in dem der rückgeholte Abfall behandelt, charakterisiert und sicher bis zur Abgabe an ein Endlager gelagert werden kann. Weil der rückgeholte Abfall nicht direkt transportfähig ist und um doppelte Transportwege zu vermeiden, soll der Standort für dieses Zwischenlager in unmittelbarer Nachbarschaft des Bergwerksbetriebs liegen. Der Standort ist in der Region umstritten.
Notfall- und Rückholplanung laufen parallel
Iris Graffunder betonte, wie eng die Planung der Rückholung mit den aktuellen Entwicklungen auf der Asse verbunden ist: „Nur wenn wir das eindringende Wasser in den Griff bekommen, können wir weiter von einer bergtechnisch sicheren Bergung der Abfälle ausgehen.“ Dennoch soll keine Zeit verloren werden. Dementsprechend laufen die Planungen für die Rückholung parallel weiter. Eine dringende Frage, die Iris Graffunder klären möchte, ist, wie lange die Bergung und die Bearbeitung der Abfälle dauern wird. Die 2020 von der BGE veröffentliche Zeitplanung ist nicht mehr aktuell. Die Vorsitzende der BGE-Geschäftsführung kündigte aber an, dass die BGE in 2025 einen neuen Terminplan für die Rückholung vorstellen will.
Viele Fragen online und vor Ort
Im Anschluss an die Vorträge stellten die Teilnehmer*innen zahlreiche Fragen. Diese drehten sich um das radioaktiv belastete Wasser, die Notfallplanung und mögliche Belastungen bei Rückholung und Behandlung der Abfälle im Zwischenlager. Besorgt äußerten sich Teilnehmer*innen erneut zum geplanten Standort des Zwischenlagers. Die Referent*innen nahmen diese Sorgen ernst. Sie verwiesen auf Voruntersuchungen, die eine Machbarkeit an diesem Standort bestätigten. Kritisiert wurde auch, dass es immer noch kein Endlager für die Abfälle aus der Asse gibt. Diese Meinung teilte Iris Graffunder – wie auch die Kritik an der fahrlässigen Einlagerung in der Asse: „Keiner von uns findet gut, dass die radioaktiven Abfälle hier eingelagert wurden. Ich glaube, da sind wir uns alle einig.“