Die Schachtanlage Asse II braucht mehr Platz: Ein Rückholbergwerk inklusive Abfallbehandlungsanlage und Pufferlager sowie womöglich ein Zwischenlager sollen dort entstehen. Ohne diese Einrichtungen können die radioaktiven Abfälle nicht zurückgeholt werden. Aber: Die Natur rund um die Schachtanlage ist geschützt. Eine Erweiterung des Bergwerksgeländes kommt jedoch nicht ohne Eingriffe in Natur und Landschaft aus: Bäume werden gefällt, Flächen versiegelt.
Finden solche Eingriffe statt, gilt es diese bereits bei der Planung möglichst zu vermeiden oder zu minimieren. Für eine belastbare Planung führt die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) aktuell Kartierungen in der Asse durch. Diese sollen Aufschluss darüber geben, welche Tier- und Pflanzenarten sich dort heimisch fühlen.
„Man kann nur schützen, was man auch kennt“
Anja Pleßke von der Arbeitsgemeinschaft Umweltplaner Asse II (ARGE Umwelt) und Marko Eigner, der die Kartierungen vor Ort vornimmt, berichteten über die Hintergründe der Kartierungen und wie diese umgesetzt werden.
Die Vortragsfolien stehen für Sie zum Download auf der Homepage der BGE bereit (PDF, 6,62 MB, nicht barrierefrei).
Anja Pleßke erklärt in ihrem Vortrag, dass der Höhenzug Asse im östlichen Niedersachsen zwei Landschaftsschutzgebiete und ein Naturschutzgebiet umfasst. Flora und Fauna stehen in diesen Gebieten unter besonderem Schutz. Kartierungen sind ein wesentliches Instrument, um die Landschaft nach naturschutzfachlichen Aspekten aufzunehmen sowie Tier- und Pflanzenarten zu erfassen. „Dadurch kann die Natur geschützt werden, denn man kann nur das schützen, was man auch kennt“, sagt sie. Die Kartierungen finden laut Anja Pleßke überall dort statt, wo Auswirkungen durch die geplanten Maßnahmen der Rückholung zu erwarten sind. Sie umfassen also nicht nur die Schutzgebiete, sondern gehen bei Bedarf über diese hinaus.
Generell erfolgt die Kartierung nach den jeweils neusten und anerkannten fachlichen Standards sowie rechtlichen Vorgaben. Hierfür müssen die Kartierer*innen die Flächen betreten. Dies wird im Vorfeld mit den Eigentümer*innen abgesprochen. Für die Kartierung selbst nutzen die Kartierer*innen, soweit möglich, vorhandene Wege und begehen die Flächen ausschließlich zu Fuß. „Eigentümer*innen müssen keine Sorge haben, dass etwas an ihren Grundstücken dauerhaft verändert oder beschädigt wird“, sagt Anja Pleßke. In Ausnahmefällen werden für einen bestimmten Zeitraum Erfassungsgeräte installiert, um das Vorhandensein bestimmter Tierarten nachweisen zu können. Dazu gehören etwa Horchboxen, die Fledermausrufe erfassen (externer Link).
Hinweise auf Feldhamster und Wildkatze
Für die Kartierungen selbst ist Marko Eigner zuständig. In seinem Vortrag berichtet er über die Arbeit im Feld. Besonderes Augenmerk legt er auf alle Tier- und Pflanzenarten, die einen Schutzstatus nach Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, Vogelschutzrichtlinie, Bundesnaturschutzgesetz oder Roten Listen genießen. Außer Insekten, Vögeln, Amphibien und Reptilien stellt Marko Eigner in diesem Zusammenhang den Feldhamster, die Wildkatze und diverse Fledermausarten vor. In und um die Asse konnten Feldhamster und Wildkatze noch nicht gesichert nachgewiesen werden. Hinweise, dass sie dort leben könnten, gibt es aber. Weitere Untersuchungen sollen Klarheit bringen.
Bei den Fledermäusen ist der Nachweis eindeutig: Von den 25 in Deutschland lebenden Arten wurden in der Asse 10 Arten nachgewiesen. Besonders überrascht zeigte sich Eigner über den Nachweis der Nymphenfledermaus. Sie ist eine der kleinsten Arten. „Von ihr weiß man noch nicht sehr viel. Sie wurde erst vor 20 Jahren durch genetische Analysen entdeckt“, sagt Marko Eigner. Es wäre der nördlichste Nachweis der Nymphenfledermaus in Deutschland.
Auch kleinere Waldflächen müssen voraussichtlich gerodet werden
Nach den Vorträgen standen die Referent*innen sowie Dirk Laske, Marco Franz, Dr. Carsten Schütte und Dr. Anita Swieter für Fragen zur Verfügung. Dirk Laske leitet bei der BGE die Abteilung Rückholung im Projekt Asse, Marco Franz die Gruppe Genehmigungen Berg- und Umweltrecht. Dr. Carsten Schütte und Dr. Anita Swieter arbeiten für den Landkreis Wolfenbüttel in der unteren Naturschutzbehörde.
Unter anderem interessierten sich die Zuschauer*innen dafür, ob es eine Abstimmung mit Einrichtungen gibt, die besonders gute Kenntnisse über die Asse haben. Anja Pleßke antwortete, dass vor den Kartierungen grundsätzlich eine Datenrecherche bei Behörden, Vereinen, Verbänden und fachkundigen Privatpersonen stattfindet: „Diese Daten sind unabhängig vom Alter ein wichtiger Hinweis, wonach wir vielleicht noch suchen müssen“. Marco Franz betonte zudem, wie wertvoll dieser Austausch für die aktuellen Arbeiten sei und dass die BGE jeden Hinweis dankbar aufnimmt.
Flächenbedarf für Rückholung
Auch der zu erwartende Flächenbedarf für die Rückholung wurde thematisiert. In verschiedenen Medien wurde zuletzt ein Flächenbedarf von 36 Hektar genannt, der neben dem bestehenden Betriebsgelände zusätzlich erschlossen werden müsse. „Geht das Ganze auch kleiner?“, wollte jemand wissen, aus Sorge, große Teile des Waldes könnten gerodet werden. Dirk Laske: „Ja, das geht kleiner, das sage ich klar und deutlich.“ Die Planungen der BGE gingen davon aus, dass eine Fläche von rund 16 Hektar in Anspruch genommen werden müsse, so Dirk Laske weiter. Der Spielraum für die Anlage der Flächen sei durch die Geologie und andere Parameter begrenzt, gleichzeitig soll so wenig Waldfläche wie möglich in Anspruch genommen werden. Marco Franz ergänzte, dass die aktuellen Planungen davon ausgehen, dass voraussichtlich nicht mehr als 2 Hektar Wald gerodet werden müssen. Der Rest seien Freiflächen.
Die Diskussion zeigt, dass Zuschauer*innen und BGE interessiert sind, die Natur der Asse bestmöglich zu schützen. Die gesetzlich geforderte Rückholung, der Schutz der Natur und der Erhalt des Naherholungsgebietes Asse ist ein Dreiklang der nur gemeinsam umgesetzt werden kann. „Ich bin zuversichtlich, dass wir in der Lage sein werden, das Ganze halbwegs glimpflich ablaufen zu lassen“, sagt Dr. Carsten Schütte und ergänzt: „Wir sind in alle Verfahren eingebunden und werden regelmäßig um Stellungnahmen gebeten. Weil wir diejenigen sind, die mit der BGE das Ganze planen und begleiten und wissen, wie die Beeinträchtigungen aussehen.“
Die Kartierungen werden fortgesetzt
Mit den Kartierungen wurde im Jahr 2021 begonnen. Sie werden auch noch im nächsten Jahr weitergeführt und die Ergebnisse in einem Bericht zusammengefasst. Dieser bildet die Grundlage für die weiteren Genehmigungsplanungen und wird dann von der BGE auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Ob der veröffentlichte Bericht alle Arten umfassen wird, ließ Marco Franz offen: „Vielleicht finden wir Arten, die wir nicht unbedingt preisgeben wollen. Das dient dem Schutz seltener oder sensibler Tier- und Pflanzenarten.“ Gleichzeitig wird den Genehmigungsbehörden vollständig über die vorgefundene Flora und Fauna berichtet werden. Denn auch sie können nur das schützen, was sie kennen.