BGE

Auf dem Weg in die Zukunft eine Reise in die Vergangenheit

08. Mai 2018: Jan-Michael Schürholz, Referent in der Unternehmenskommunikation der BGE, gibt einen Einblick in seine ersten Erfahrungen mit den Endlagerprojekten der BGE.

Ein Blogbeitrag von Jan-Michael Schürholz. Er ist seit Anfang April Referent in der Unternehmenskommunikation und berichtet hier über seine ersten Erfahrungen mit den Endlagerprojekten. Es ist eine der großen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben: Die Suche nach einem geeigneten Endlager für hochradioaktive Abfälle. Bis zum Jahr 2031 soll diese abgeschlossen werden. Bis dahin sind noch viele Fragen zu beantworten. Fragen, die jede und jeden in Deutschland bewegen (sollten). Fragen, deren seriöse Beantwortung aber auch noch Zeit beanspruchen wird. Denn die Suche nach einem geeigneten Standort für ein Endlager hat gerade erst begonnen, auch wenn wir in Deutschland bereits Erfahrungen mit der Lagerung radioaktiver Abfälle und der Erkundung von Bergwerken dafür gesammelt haben. Nur, waren diese eben nicht immer positiv – und manchmal auch schlecht erklärt. Besonders deshalb lohnt sich aber ein Blick in die Vergangenheit – denn es ist wichtig aus Fehlern und Fehleinschätzungen zu lernen. Wie groß die Herausforderungen sind und wie man ihnen im Einzelnen begegnen möchte, erfuhr ich im April 2018 bei der Befahrung des Endlagers Morsleben und der Schachtanlage Asse II in Remlingen sowie dem künftigen Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle Konrad in Salzgitter mit öffentlichen Besuchergruppen. Diese zeigten sich dabei stets besonders von der Offenheit der Mitarbeiter der Infostellen und den Besucherführern unter Tage beeindruckt.

Von fließendem Salz und steilen Lagen

In Morsleben fuhr ich mit einer Gruppe bergbauinteressierter Männer und Frauen ein. Obwohl bereits bergmännisch bewandert, zeigte sich die Gruppe beeindruckt von den Dimensionen der Anlage. Mit Fahrzeugen führte uns Bergbauingenieur Torsten Kniep durch das für Laien verwirrende System der Stollen und Kammern. Hier unten wird deutlich und im wahrsten Sinne erfahrbar, was Michael Lohse, Leiter der Infostelle Morsleben, zuvor in seinem Einführungsvortrag berichtete. Unter anderem warum sich die DDR damals entschied, hier ein Endlager einzurichten. Die Luft im Bergwerk ist trocken, schier endlos scheint sich das weiße Gold, das Salz, hier unten zu erstrecken. Da wo das Salz einst abgebaut wurde, sind riesige Hohlräume zurückgeblieben. Teilweise sind sie 100 Meter lang, 25 Meter breit und bis zu 20 Meter hoch. Ein Teil von ihnen ist zwischen 2003 und 2011 verfüllt worden, um die Stabilität des Berges zu erhalten. Ab und an zeigen sich andere Gesteinsarten wie zum Beispiel Ton oder Anhydrit. Sie spiegeln die Entstehung der Salzlagerstätte vor Millionen von Jahren wider. Eine dieser Gesteinsformationen, der Hauptanhydrit, reicht bis an das Deckgebirge heran. Für die Betrachtung der Langzeitsicherheit ist er besonders wichtig, da er ein möglicher, wenn auch unwahrscheinlicher, Pfad für Flüssigkeiten ist. Salz selbst verhält sich plastisch und verschließt so Risse und auch Störungen im Gestein. Wo das nicht mit hundertprozentiger Sicherheit der Fall ist, muss der Mensch mit Abdichtbauwerken nachhelfen. Diese Kombination aus geotechnischen Maßnahmen und den natürlichen Eigenschaften des Salzes machen dieses Endlager langzeitsicher, sagt Kniep. An einigen Stellen des Bergwerkes sind Versuchsbauwerke zu sehen, mit denen die BGE gegenüber der Genehmigungsbehörde für das Stilllegungsverfahren nachweisen muss, dass sie das Endlager wie geplant verschließen kann. Wichtigstes Kriterium dabei: um die Langzeitsicherheit gewährleisten zu können, sollen die technischen Barrieren der natürlichen Geologie des Bergwerks so nahe wie möglich kommen. In einem Stollen wird daher in einem Versuch mit einer gut 25 Meter langen Barriere aus Spezialbeton – einem Salzbeton – geprüft, in wie weit sich diese als Verschluss der Einlagerungskammern eignet und wie sich Salzbeton auf das umgebende Gestein auswirkt. Zahlreiche Messbohrungen zeugen von den umfangreichen Untersuchungen. Ihre Ergebnisse: Der Versuch ist weitgehend erfolgreich, das Bauwerk ist dicht – sogar mehr als geplant. Aber es ist nicht rissfrei. Das müsste es aber sein, um genehmigungsfähig zu sein. Deshalb wird nun nach Möglichkeiten geforscht, die Abdichtung weiter zu optimieren, zum Beispiel über die Konstruktion oder mit anderen Materialien. Ein neuer Versuch in ähnlicher Anordnung wird dazu voraussichtlich erforderlich sein.

Störungen, Zutrittswasser und andere Herausforderungen

Wie wichtig die Standfestigkeit des Grubengebäudes für ein Endlager ist, erfuhr ich wenige Tage später mit einer anderen Besuchergruppe in der Schachtanlage Asse II. Auf der 490-Meter-Ebene zeigte uns Annette Parlitz von der Öffentlichkeitsarbeit der BGE, wie sich der Boden der ehemaligen Abbaukammer unter dem Druck des Berges wölbt. Aufgrund solcher Verformungen verliere das Bergwerk jährlich rund 10.000 Kubikmeter Hohlraum, berichtet sie. An verschiedenen Stellen des Bergwerks sind deutlich tiefe Risse im Gestein zu erkennen. Ein Grund: Im Gegensatz zum Salzstock Morsleben wurde in der Asse in der Vergangenheit auf einer deutlich kleineren Fläche deutlich mehr Salz abgebaut. Das zwischen den Hohlräumen verbliebene Gestein kann dem Gebirgsdruck auf Dauer nicht Stand halten. Ein weiterer Grund für die Instabilität der Asse liegt darin, dass das Salz in vielen Bereichen bis knapp unter das Deckgebirge abgebaut wurde. Zu welchen Problemen diese Risse führen können, erfährt die Besuchergruppe auf der 658-Meter-Ebene. Hier befindet sich die Hauptauffangstelle für Zutrittswasser, gleich neben einer verfüllten Abbaukammer. Parlitz erläutert, dass durch Risse und Klüfte im Gestein täglich rund 12.500 Liter Wasser in das Bergwerk fließen. Rund 11.500 Liter davon werden hier abgeleitet und in einem Becken aufgefangen. Das Wasser stammt aus dem umliegenden Gebirge. Welchen Weg es jedoch genau nimmt, ist Gegenstand von Untersuchungen. Zum Glück gelangt bislang nur ein kleiner Teil des Wassers in Kontakt mit den radioaktiven Abfällen. Aktuell wird vor allem daran gearbeitet, das Bergwerk zu stabilisieren, um die Abfälle wieder zurückholen zu können. Dadurch soll auch ein vermehrter Wassereintritt möglichst verhindert werden. Ein „Absaufen“ des Bergwerks könnte andernfalls zu einem Abbruch der Rückholung führen. An vielen Stellen des Bergwerkes wird daher beinahe rund um die Uhr gearbeitet, werden Verbindungswege offengehalten, Wände mit Mauern gestützt und Hohlräume mit Salzbeton verfüllt. Dass damit die Frage der Rückholung aber noch lange nicht abschließend geklärt ist, wird den Besuchern hier unten schnell bewusst. Im Vortrag in der Infostelle berichtete zuvor Frank Ehrlich, Referent der Infostelle, darüber, wie die Abfälle einst eingelagert wurden. Verschiedene Methoden und Verfahren kamen dabei über die Jahre zum Einsatz. Die Fässer wurden teilweise gestapelt, teilweise aber auch mit Radladern in den Kammern abgekippt oder mit speziellen Vorrichtungen abgeworfen. Auch wenn das Bergwerk offiziell als Forschungsbergwerk in Betrieb genommen wurde, war mit Blick auf die Einlagerungsmethoden schnell klar, dass die Schachtanlage Asse II der faktischen Endlagerung dient. Die Zahlen zeigen, dass bis 1978 nahezu der gesamte schwach- und mittelradioaktive Abfall der Bundesrepublik in die Schachtanlage Asse II eingelagert wurde, erläutert Ehrlich. Über den heutigen Zustand der Behälter in den Einlagerungskammern sind heute kaum gesicherte Kenntnisse vorhanden. Aufwändige Erkundungsarbeiten sind daher notwendig. Auf diese Erfahrungen möchte man im Endlager Konrad gerne verzichten – auch wenn die Geologie des Bergwerkes eine völlig andere.

Ein „alter Herr“ wird erneuert

Das ehemalige Erzbergwerk in Salzgitter hat eine Tiefe von 800 bis 1300 Metern. Seit dem Ende der 1970er Jahre wurde die Anlage auf ihre Eignung als Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle untersucht und wird seit 2007 dafür ausgebaut. Die geologische Beschaffenheit des Bergwerkes mache es als Endlagerstätte interessant, erläutert Christian Islinger, Geologe der Schachtanlage, denn das Grubengebäude sei für ein Erzbergwerk trocken. Aufgrund der Tonschicht über dem Erzvorkommen gelange kein Oberflächenwasser durch Risse oder Klüfte in die künftigen Lagerkammern. Ton kann sich ebenfalls wie Salz plastisch verhalten und Risse schließen. Die Luft unter Tage ist staubig und stickig – im gesamten Grubengebäude sind große schwere Maschinen im Einsatz, fräsen sich durch den Berg oder bewegen Gesteine. In den Bereichen, die künftig als Transportstrecken und Lagerkammern aber auch als Produktionsort für das Versatzmaterial – das Material mit dem Hohlräume verschlossen werden – genutzt werden sollen, sind die Kammern in der sogenannten österreichischen Tunnelbauweise hergerichtet. Dabei werden die Wände, die Decke und der Boden der Ebene mit Betonplatten verblendet, die über große Dehnungsfugen verfügen, um die natürliche Bewegung des Berges aufzufangen. Um das Ganze zu stabilisieren und einen weitestgehend wartungsfreien Betrieb über 40 Jahre zu ermöglichen, wurden bis zu 18 Meter lange Anker ins Gebirge eingebracht, erläutert der Geologe. Am Schacht Konrad 2 wird den Besuchern besonders deutlich, welche Herausforderungen die Errichtung eines Endlagers in einem bestehenden Bergwerk mit sich bringt. Um die Abfallgebinde hier unter Tage später sicher umladen zu können, musste hier der ursprüngliche Stollen um ein Vielfaches vergrößert werden, damit er die benötigte Umladetechnik aufnehmen kann. Aber auch der Schacht selbst muss ertüchtigt werden. Denn über den ursprünglich als Wetterschacht für die Belüftung des Bergwerks angelegten Schacht 2 sollen künftig die Abfallbehälter unter Tage geschickt werden. Die komplette Förderanlage muss entsprechend neu errichtet werden, erläutert Arthur Junkert, Leiter der Infostelle Konrad. Wer über Tage auf das Gelände blickt, bekommt von diesen umfänglichen Arbeiten nichts mit. Demnächst könne aber mit dem Lüftergebäude auf der Anlage Konrad 2 begonnen werden, informiert Junkert. Hier müssen noch die Gebäude für das sichere Umladen der Behälter und für deren sicheren Transport nach unter Tage entstehen. Bis 2027 soll das Endlager fertig gestellt sein. Wer allerdings schon einmal ein altes Haus renoviert hat weiß, wie viele Überraschungen dieses für einen bereithalten kann. Ein wenig erinnern die Arbeiten in den drei Bestandsbergwerken an ein solches Vorhaben – sicherlich auch ein Grund, warum ein neues Endlager komplett neu errichtet werden soll.