Gelbe Fässer: Eigenabfälle im Westfeld auf der 4. Sohle.
Hier laufen alle Fäden zusammen: Strahlenschüzer Homann erläutert die zentrale Strahlenschutzwarte auf der 4. Sohle
Wer im Endlager Morsleben einmal ganz nah die Lagerung radioaktiver Abfälle sehen will, lernt einiges darüber, wie Strahlenschutz funktioniert. Am 11. November 2017 haben drei Mitglieder des Nationalen Begleitgremiums (NBG) zur Standortsuche, darunter die Vorsitzende die Münchener Professorin Dr. Miranda Schreurs, die Geschäftsstelle des NBG, Mitglieder des sogenannten Beratungsnetzwerks und ein Vertreter der Bürgerinitiative Morsleben, das Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle besucht. Das Beratungsnetzwerk sind Bürger, aus deren Mitte die drei sogenannten Zufallsbürger im NBG ausgewählt worden sind. Am Tag zuvor hatte das NBG sich in seiner 11. Sitzung in Magdeburg eine Vormittag lang dem Thema Endlager Morsleben gewidmet, um sich mit Vertretern von Umweltverbänden, Genehmigungsbehörde und Betreiber ein Bild vom Stand des Projektes zu machen. Nun wollte sich die Gruppe ein eigenes Bild vom Endlager machen und sich die Infostelle sowie die vierte Sohle des Bergwerks, wo die Abfälle eingelagert wurden, anschauen.
Damit mögliche Strahlung nicht aus dem Bergwerk verschleppt werden könnte, achten die Strahlenschützer genau darauf, dass von außen nichts hineingebracht wird, was nicht unbedingt gebraucht wird. Auch der Ehering, bleibt besser draußen. Das gleiche gilt für Kleidung. Die Arbeitskleidung derjenigen, die im Sicherheitsbereich unterwegs sind, bleibt dort. Sonst müsste sie immer aufwändig „freigemessen“ werden. Zur Sicherheit erhalten alle beim Betreten des Kontrollbereiches außerdem ein Dosimeter, das Strahlung messen und seinen Träger warnen kann – es zeigt am Ende des Besuches keinen anderen Wert an als zu Beginn. Selbst in den Einlagerungsbereichen werden die Besucher keiner Strahlung ausgesetzt, sofern sie sich an die Sicherheitsabstände halten. Als die Gruppe dann tatsächlich vor den gelben Fässern stand, hat das alle ziemlich beeindruckt. Die Abfälle, die Werksleiter Frank-Holger Koch und Infostellenleiter Michael Lohse zeigen konnten, sind relativ neue Abfälle. Denn die Dinge aus dem Betrieb selbst, die bei der Arbeit womöglich kontaminiert worden sind, werden in die Fässer gepackt und direkt eingelagert. Das kann Kleidung sein, oder Handschuhe, oder Werkzeug, oder auch mal ein Luftfilter aus einem der Fahrzeuge auf der vierten Sohle.
Auch Regenwasser, das oberirdisch im Kontrollbereich aufgefangen wird, und durch eine spezielle Kanalisation abgeleitet werden muss, landet nach seiner Verfestigung in diesen Fässern und im aktuell noch betriebenen Einlagerungsbereich. Noch gibt es einen Bereich in Morsleben, der oberirdisch zum Kontrollbereich gehört. Dort wurden bis 1998 radioaktive Abfälle angeliefert und vorbereitet, um sie dann ins Endlager einzubringen. Dort ist seit bald 20 Jahren kein schwach- oder mittelradioaktiver Abfall mehr angekommen. Und tatsächlich gibt es dort auch keine messbare Strahlung. Aber weil das Gelände noch immer zum Kontrollbereich gehört, wird das Regenwasser dort in einer speziellen Kanalisation aufgefangen. Und genau diese spezielle Kanalisation ist im Betrieb der Vergangenheit tatsächlich kontaminiert worden. Das saubere Regenwasser kommt also erst in dieser Spezialkanalisation mit Radioaktivität in Berührung. Das so aufgefangene Wasser muss dann in einer Konditionierungsanlage unter Tage in Fässer gefüllt verfestigt werden. Auch diese Anlage durften sich die Besucher vom NBG genauer anschauen.
Im Untertage-Strahlenschutzlabor erfuhren die Gäste, was im Bergwerk wo genau gemessen wird. Wie das vor sich geht, und wie die Daten gesammelt und dokumentiert werden.
In der anschließenden Diskussion beantworteten Projektleiter Matthias Ranft von der BGE und Werksleiter Koch die noch offenen Fragen. Beispielsweise die, wie der Betreiber eigentlich nachweisen will, dass die Radioaktivität tatsächlich im Endlager bleibt und über den Zeitraum der Lagerung nicht an die Biosphäre austreten wird. Ein Teil dieses Nachweises ist ein Langzeitversuch, der im Endlager auf einer anderen Sohle stattfindet. Dort hat die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (bis Ende 2017 betriebsführende Gesellschaft des Endlagers Morsleben, kurz DBE) im Steinsalz ein sogenanntes Abdichtbauwerk errichtet. Solche Bauwerke sollen die Einlagerungsbereiche bei dem unwahrscheinlichen Szenario, dass Wasser in das Endlager eindringt, sicher schützen. Das Bauwerk ist so errichtet worden, dass Teilbereiche voneinander abgetrennt wurden, und seine Stabilität durch Sicherheitsmargen auch eventuelle Bergbewegungen in einem gewissen Umfang abfedern kann. Tatsächlich lässt sich nachweisen, dass das in dem Versuch mit starkem Druck gegen das Bauwerk gedrückte Wasser nicht durch das Bauwerk dringt. Aber es ist nicht gelungen, das Bauwerk komplett rissfrei zu errichten. Das ist aber eine der Zielstellungen des Nachweises. Deshalb arbeiten nun Materialforscher von Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen daran, ein Material zu finden, das auch diese Anforderung erfüllen kann. „Das ist ein Teilerfolg“, sagt Matthias Ranft. Im Anhydrit, einem eher problematischen Gestein, das im Endlager auch vorkommt, ist der Bau eines solchen Bauwerks bisher nicht gelungen.
Die Gäste vom NBG waren allerdings am meisten daran interessiert, zu erfahren, wie es um die Akzeptanz des Endlagers in der Region bestellt ist. Ranft, Koch und der Vertreter der Bürgerinitiative Morsleben, Andreas Fox, waren sich aber in der Einschätzung nicht ganz einig. Koch verwies vor allem auf die Arbeitsplätze und die enge Zusammenarbeit mit den kommunalen Politikern. Ranft wies darauf hin, dass es aus der Region selbst wenig Widerstand gegen das Endlager gebe. Und der BI-Vertreter betonte die „sachliche Kritik“ und den „Dialog“ von Seiten der Bürgerinitiative. So wenig Krach ums Endlager hatte das NBG bisher bei seinen Besuchen offenbar noch nicht zu sehen bekommen.